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Arbeiten zur Kindergartenkonzeption
1999 - 1

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Sigurd Hebenstreit

Die Konzeption kindzentrierter Kindergartenarbeit

Vortrag am 24. 9. 1999 in Osnabrück, 12. 11. 1999 in Schwäbisch Hall und am 19. 11. 1999 in Klagenfurt

 

I. Einleitungen: Kindergartenentwicklung in den letzten 30 Jahren

1. Persönliches und Berufliches

Konzeptionen fallen nicht vom Himmel, sondern sie sind das vorläufige Ergebnis eines Prozesses der Erfahrungsgewinnung und deren gedankliche Verarbeitung. Ich möchte Ihnen einleitend gerne knapp berichten, wie sich für mich persönlich meine kindzentrierte Position der Kindergartenarbeit entwickelt hat. Sie erfahren dadurch ein wenig über meinen beruflichen Werdegang, aber auch etwas über die bewegte Geschichte der Pädagogik des Kindergartens in den letzten Jahrzehnten. Es ist jetzt bald 30 Jahre her, dass ich als junger Student der Erziehungswissenschaft auf der Suche nach einem Praktikumsplatz mehr zufällig in den Kindergarten kam. Damals war die Zeit der Vorschulbewegung, in der kleine Kinder durch eine Vielfalt neuer Materialien fit für die Schule und für das spätere Leben in der Gesellschaft gemacht werden sollten. Der Bildungsanspruch drei- bis sechsjähriger Kinder wurde gegenüber einer Aufbewahrungseinrichtung hervorgehoben. Mein Kindergarten war eine ganz traditionelle Einrichtung im Stile der 50er und frühen 60er Jahre, und ich war stolz, mein geringes, auf der Pädagogischen Hochschule frisch erworbenes Wissen wie einen riesigen Veränderungshammer den Kindergärtnerinnen und –pflegerinnen entgegen schleudern zu können. Ein Intensivraum wurde gebaut, aber weil die äußeren Rahmenbedingungen mehr als katastrophal waren, stand ich auch schon einmal alleine einer 33 Köpfe zählenden Menge fünfjähriger Kinder gegenüber, die ich aufforderte, an geeigneten Stellen Striche auf ein bereitliegendes Arbeitsblatt zu machen. Die Eltern konnten so kontrollieren, dass in unserem Kindergarten „Vogelnest“ nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen gearbeitet wurde. Ich habe die Arbeit damals sehr gerne gemacht, doch irgend etwas stimmte an der Konzeption nicht: Das Herausfinden links- und rechtsseitiger Vogelschnäbel biß sich mit dem fröhlich-munteren, aber auch traurig-ernsten Kinderleben, das vor, nach und zwischen den Übungseinheiten immer wieder durchschimmerte.

Nach gut einem Jahr Kindergarten erhielt ich von der Kirchengemeinde die Gelegenheit, einen nachmittäglichen Spielkreis für 12 Kinder aus Obdachlosensiedlungen aufzubauen, und diese Erfahrung hat mich in mehrfacher Hinsicht geprägt. Der ganze organisatorische Rahmen, den das „Vogelnest“ geboten hatte, fiel weg. Alles nusste selbst hergestellt werden: der Raum, die Materialien, die zeitliche Einteilung, die Spielregeln, die für die Kinder und die Erwachsenen gelten sollten. Dies war ungeheuer anstrengend, und die Erfahrung hat mich gelehrt, wie energiesparend institutionelle Vorgaben sind. Aber es war auch eine ungeheuer spannende Zeit. Mit Hilfe eines Polizeicomputers könnte ich auch heute noch die Gesichter vieler der zwölf Kinder zeichnen, und so hat mich diese Erfahrung zum anderen auch gelehrt, wie institutionelle Vorgaben den Blick auf die Lebendigkeit von Kindern verstellen. Zwischen diesen beiden Polen muss die Kindergartenkonzeption eine Balance herstellen: der institutionellen Normierung einerseits, die für die Erzieherin Entlastung schafft, aber auch Emotionalität ausklammert, und dem Raum für Unmittelbarkeit andererseits, der die Erzieherin das einzelne Kind sehen lässt, aber auf Dauer auch zu einer Überforderung werden kann.

Nach meinem Diplomabschluß hatte ich dann das Glück, als Assistent an einer Universität arbeiten zu können. Da war damals nicht mehr die Unruhe der Zeit der Studentenbewegung, die durch die antiautoritäre Erziehung auf den Kindergarten gewirkt hat, aber kritisch wollte man doch sein: die Universität als erste Stufe auf dem langen Marsch durch die Institutionen. In der Kindergartenpädagogik begann zu diesem Zeitpunkt der Siegeszug des Situationsansatzes. Auf meinen ersten Fortbildungen hatte ich Gelegenheit, diesen an Praktiker zu vermitteln. Ich kam dadurch mit einer größeren Gruppe von Erzieherinnen ins Gespräch, und ich musste feststellen, dass irgend etwas auch mit dem Situationsansatz nicht stimmte. Denn unabhängig davon, ob Schulvorbereitung oder Situationsbezug auf der konzeptionellen Tagesordnung stand, blieben die Kindergärten sich sehr ähnlich.

Es geisterte damals das Stichwort vom „Hidden Curriculum“ durch den Raum, also die Frage danach, was ein Kind tatsächlich in einer Einrichtung lernt, unabhängig davon, wie die offiziellen Verlautbarungen des Programms aussehen. Was mich seit dem interessiert hat, waren nicht die 10% des Kindergartengeschehens, die aufwendig geplant didaktische Höhepunkte in den tristen Alltag bringen, sondern es war der 90 % Sockel, der Kindergärten unabhängig von der spezifischen Ausrichtung untereinander sehr ähnlich macht. Ich war damals jung und habe in meiner „Einführung in die Kindergartenpädagogik“ eine heftige Kritik geschrieben.[1] Ordnung, so schien mir, ist nicht nur das halbe, sondern fast schon das ganze Kindergartenleben.

Wenn man jung ist, hat man das Recht zur Kritik. Wenn man erst keine Hörner entwickelt, wie will man sie sich abschleifen, wenn man älter wird. Ich habe mir meine Hörner abgeschliffen, wenngleich ich die Blickrichtung von damals unverändert für wichtig und richtig halte – nämlich zu fragen, was faktisch in Kopf, Herz und Hand bei den einzelnen Kindern ankommt, und sich nicht zu verlassen auf die schönen, glatten, auf Hochglanzpapier gebannten Wörter der Konzeption. Doch einzustürzen ist leicht, aufzubauen dagegen mühselig. Um mich selbigen zu unterziehen, habe ich mich nach Empfang aller akademischen Weihen entschlossen, die Erzieherprüfung nachzuholen, um konkret im Kindergarten arbeiten zu können. Ich habe dies dann gut vier Jahre getan, und es hat mir Spaß gemacht, mit vielen Kindern in munteren Kontakt zu kommen. Und es hat mir auch Spaß gemacht, an der Verbesserung alltäglicher Kindergartenarbeit mitzuwirken. Die Summe meiner theoretischen und praktischen Beschäftigungen ist dann meine Position kindzentirerter Kindergartenarbeit[2], von der ich Ihnen heute einige Aspekte nahebringen möchte.

Seit jetzt fast zehn Jahren bin ich Professor für Allgemeine Pädagogik an der Evangelischen Fachhochschule in Bochum, und diese Tätigkeit gibt mir Gelegenheit, meine Beschäftigung mit dem Kindergarten in die Tiefe zu treiben. Vor allem durch die Auseinandersetzung mit den Klassikern der Pädagogik – von Johann Amos Comenius über Jean-Jacques Rousseau, Johann Heinrich Pestalozzi und Friedrich Fröbel bis zu Maria Montessori und Janusz Korczak – habe ich intensiver erfahren können, dass Kinder keine zu belehrenden Lernkörper sind, sondern eigenständige Persönlichkeiten, die auf der Suche nach sich selbst, der Welt und Gott sind; und dass Erziehung keine äußerliche Tätigkeit ist, kein Zimmern an einer Kindermasse, aber auch kein unbeteiligtes Abwarten, sondern ein engagiertes, höchst widerspruchsvolles und vielschichtiges, aber auch persönlich sehr befriedigendes Geschäft.

2. Abgrenzung zum Situationsansatz

Der von Jürgen Zimmer heraus gearbeitete Situationsansatz hat sich in der bundesrepublikanischen Kindergartenlandschaft auf breiter Front durchgesetzt. Von ihm sind eine Menge an Anregungen ausgegangen, die die Enge sowohl der traditionellen Beschäftigungspädagogik wie der Vorschulbewegung aufgebrochen haben. Das Klein-Klein der Tantenpädagogik wie die Kleinkariertheit Didaktik-Methodik geschulter Pseudolehrerinnen konnte zugunsten eines Einbezugs weitergehender gesellschaftlicher Fragestellungen überwunden werden, und eine sozialpädagogische Plattform für die Kindergartenarbeit wurde gefunden. Unter anderem darin scheinen mir Verdienste dieser Konzeption zu liegen, und auch wenn sie nicht mein Ansatz ist, glaube ich, dass unverändert Lernenswertes in ihr liegt.

Doch obwohl sicherlich die Mehrzahl der Erzieherinnen vorgibt, nach dem Situationsansatz zu arbeiten, sieht die Praxis deutlich anders aus. Nach einer Untersuchung, die von Jürgen Zimmer u.a. selbst durchgeführt worden ist, lässt sich nur von 2 von 39 Kindergärten sagen, dass „der Bezug zu Lebenssituationen in erheblichem Umfang bewußt und reflektiert in die konzeptionelle Gestaltung der Arbeit aufgenommen und weiterentwickelt worden“[3] ist. Und dabei handelte es sich bei der Untersuchungsgruppe nicht um eine Zufallstichprobe bundesrepublikanischer Kindergärten, sondern um ausgesuchte Einrichtungen, die an einem landesweiten Modellprojekt teilgenommen hatten.

Dieses traurige Ergebnis ließe sich nun auf die dummen Erzieherinnen beziehen, die den Situationsansatz immer noch nicht richtig verstanden hätten, oder auf die schlechten Rahmenbedingungen, die eine entsprechende Arbeitsweise nicht zuließen, oder auf die Ausbildung, die den Zug der Zeit noch nicht verstanden hätte. Doch m.E. wäre es auch an der Zeit, dass die Vertreter des Situationsansatzes die Kritik auch auf ihre eigene Konzeption bezögen, denn an fehlender öffentlicher und verbandlicher Unterstützung, an Bereitstellung von Forschungsmitteln und Modellprojekten hat es sicherlich nicht gelegen. Der alte Friedrich Fröbel, der für den Verkauf seiner Kindergartenaktien noch selbst bettelnd durch die Lande zog, hätte sich gefreut, eine solche Infrastruktur geboten zu bekommen.

Ich will mich heute nicht ausführlich mit dem Situationsansatz auseinandersetzen, sondern nur einen Punkt hervorheben, der für meine eigene Konzeption wichtig ist: Dem Situationsansatz sind die Kinder verloren gegangen, bzw. in seiner ursprünglichen Konstruktion hat man sie vergessen. Indem man gesellschaftlich vermittelte Situationen in den Mittelpunkt rückt, geraten die Kinder an den Rand, sie werden nur noch durch die Brille der Situationswahrnehmung und -auswahl als Betroffene und Akteure in einem Curriculum gesehen (anstatt anders herum: Situationen und Curricula nur durch die Brille der Kinder wahrzunehmen). Das Programm mag sich dann phantastisch ausnehmen, es erscheint pfiffig, kreativ, modern, politisch korrekt - nur die Kinder sind etwas zu klein dafür oder sie sind einfach zu banal.

Und ein weiteres kommt hinzu, das ich an dem Wort „Orientierungen“ aufhängen möchte. In einer Broschüre, die den Situationsansatz mit dem neuen Stichwort der Qualitätsentwicklung in Verbindung bringen möchte, wird in sieben Qualitätsdimensionen für 37 Qualitätsbereiche mit 114 Qualitätsfragen und schließlich 469 Qualitätsmerkmalen Kriterien für eine gute Kindertagesstättenarbeit angegeben.[4] Vielen Punkten, die dort aufgeführt sind, kann ich zustimmen, einige finde ich fragwürdig, wenige falsch, und wiederum andere würde ich gerne ergänzen. Doch mein Haupteinwand ist: wer soll sich die tausend Einzelheiten merken und für wen und warum hat man sich die Arbeit ihrer Auflistung gemacht? Der Untertitel der Broschüre lautet: „Wie Kindertageseinrichtungen besser werden“. Und genau diese löbliche Absicht wird so nicht erreicht.

Orientierungen mag es viele geben – für den privaten und beruflichen Bereich, für sonntags und alltags, für den Spaziergang im Wald und die Fahrt mit dem Auto, für Essen, Schlafen, Arbeiten und Spielen. Worauf es in einer Konzeption aber ankommt ist: die Beliebigkeit von allem, was möglich und unter bestimmten Voraussetzungen auch sinnvoll ist, zu reduzieren, indem ein klarer Bezugspunkt begründet wird, von dem aus sich die Überfülle ordnet. Wenn eine Erzieherin nachmittags von ihrer Arbeit nach Hause fährt, mögen ihr Hunderte von Eindrücken durch den Kopf schwirren, die ihr, wollte sie alle festhalten, Kopfschmerzen verursachen würden. Diese Überfülle durch die Konzeptionsarbeit zu verdoppeln, wäre unsinnig, der Kopfschmerz würde nur steigen. Konzeptionen sollen nicht neue Bäume in den verwirrenden Eindruckswald pflanzen, sondern – bleiben wir im Bild – Schneisen schlagen, damit der Wald vor lauter Bäumen wieder sichtbar wird. Ich spreche deshalb in meiner Kindergartenkonzeption nicht von „Orientierungen“ (im Plural), sondern von „Zentrierung“ (im Singular), um das hervorzuheben, was m.E. im Zentrum der Pädagogik stehen sollte, angesichts einer Menge sonstiger Gedanken, Ansprüche und Aktivitäten allerdings leicht hintangestellt wird: das Kind.

II. Bezugspunkt: Kinder – Kindheit – Kind

Zur Charakterisierung der Grundlage meiner Konzeption der kindzentrierten Kindergartenarbeit sind zwei Begriffe wichtig: „Kind“ und „Erziehung“. Weil ich Ihnen heute aber auch noch einige mehr praktische Konsequenzen vorführen möchte, beschränke ich mich jetzt auf den ersten Aspekt, den ich in drei ähnlich klingende Wörter ausdifferenzieren möchte, mit denen jedoch unterschiedliche Schwerpunkte verbunden sind: Kinder, Kindheit, Kind.

1. Kinder

Mit „Kinder“ wird die Dimension der Entwicklungspsychologie und pädagogischen Anthropologie ins Spiel gebracht. Ich möchte Ihnen jetzt einiges von dem darstellen, das ich für die Altersgruppe der Drei- bis Sechsjährigen für wichtig halte.

Ein Kind ist nicht die verkleinerte Ausgabe eines Erwachsenen, sondern ein Mensch, der auf einer qualitativ anderen Stufe steht. Ein Kind denkt, fühlt und handelt nicht weniger als ein Erwachsener, sondern es denkt, fühlt und handelt anders. Dazu heute nur ein kleines Beispiel: Für uns Erwachsene ist klar, dass wir unterschiedliche Dinge zählen können und dass fünf gleich fünf ist. Mit dieser Vorstellung unseres Kopfes können wir gedankliche Schneisen in die große Welt schlagen und so das Chaos bannen. Fünf bleibt fünf: dessen sind wir uns sicher, und auf diese Gewißheit können wir unsere Handlungen aufbauen. Für das kleine Kind ist fünf nicht gleich fünf, ja zunächst einmal ist für seinen Kopf die Schneise: „Wir können einzelne Gegenstände zählen“, noch nicht einmal vorhanden, und statt des Wortes „fünf“ könnten Sie dem Kind genauso gut „Hypotenusenquadrat“ beibringen. Irgendwann später wird es dann begreifen, dass „fünf“ etwas damit zu tun hat, dass man die Dinge der Welt zählen kann. Aber immer noch weiß es nicht, dass fünf gleich fünf ist, sondern für seinen Kopf kann „fünf“ auch mehr oder weniger als fünf sein.

Denken wir uns für einen kurzen Moment nur einmal unsere Fähigkeit weg, fünf immer als fünf zu betrachten: Wir würden auf sehr schwankendem Boden mit wackeligen Füßen stehen. Und auf solch schwankendem Grund befindet sich das Kind: nicht nur, dass fünf gleich fünf ist, macht ihm Schwierigkeiten, sondern auch uns so sichere Begriffe wie „vorher“ und „nachher“, „rechts“ und „links“, „oben“ und „unten“ strukturieren noch nicht seinen Kopf. Stellen Sie sich eine rasante Achterbahnfahrt vor, wo Ihnen vielleicht auch „oben“ und „unten“ durcheinandergeraten. Auf solch einer Achterbahnfahrt befindet sich das kleine Kind. Ihm müßte immer schlecht werden, so wie Ihnen vielleicht schon bei der Vorstellung, Sie würden Achterbahn fahren, wenn es nur über das Fehlen zentraler Begriffsmöglichkeiten gekennzeichnet wäre. Das ist Gott sei Dank nicht so. Dem Kind fehlt nicht nur im Vergleich zu uns Erwachsenen etwas, sondern es hat eine qualitativ andere Denkweise als wir, eine Denkweise, über die wir kaum mehr verfügen: Es deutet die Welt in symbolischer Weise um.

Eine Hexe ist zu fürchten, ein Ritter drückt Stärke aus, der Kasper ist gut und das Krokodil böse, der Osterhase hält Überraschungen bereit, und der Stock, neben das Bett des Kindes gelegt schützt vor Einbrechern. Immer ist der Kopf der kleinen Kinder bereit, die Welt symbolisch umzudeuten, sie sich so zurechtzulegen, wie es den eigenen Bedürfnissen gerade paßt. Die Drei- bis Sechsjährigen haben noch nicht ein sicheres Fundament in ihren Köpfen, das ihnen die weite Welt so zeigt, wie sie ist, sondern auf schwankendem Grund stehen sie, und sie brauchen ihr Symbolspiel als eine Krücke, um angesichts des ganzen Unverstanden nicht unterzugehen.

Es ließe sich noch viel berichten über die Andersartigkeit der Kinder: beispielsweise über ihr Bemühen, gut sein zu wollen, herauszufinden, was dies ist, und den sie liebenden Erwachsenen ein Vielfaches von dem zurückzugeben, was sie von ihnen erhalten; oder über das ständige Bestreben, es den Großen nachzumachen, um die Ängste vor der weiten Welt und dem Brodeln im eigenen Inneren zu bewältigen. Doch dies ausführen, würde es eines eigenen Vortrags bedürfen. Aus der Andersartigkeit der Kinder im Vergleich zu uns Erwachsenen ziehe ich die pädagogische Schlußfolgerung: Kinder bedürfen einer Welt, in der sie entsprechend ihren Möglichkeiten leben können. Der Kindergarten ist dieser Ort kindlichen Lebens, der so gestaltet ist, dass ihre Formen des Denkens, Fühlens und Handelns zum Ausdruck kommen, damit sie vorsichtige und selbstsichere Schritte ihrer Entwicklung tun können.

2. Kindheit

Unter dem Stichwort „Kindheit“ trägt die Sozialisationsforschung viele Ergebnisse zusammen, die sich mit dem Leben von Kindern in einer bestimmten Gesellschaft befassen. Unter gewissen Gesichtspunkten betrachtet bleiben Kinder einer Altersstufe sich ständig gleich, egal ob sie unter den Neandertalern oder in der virtuellen Welt von morgen groß werden. Ihr unablässiges Bestreben, sich durch eigene Tätigkeit selbst zu entwickeln, ihr Bemühen, herauszufinden, wer sie sind und wer sie werden können, was die große Welt ist und welche Stellung sie in ihr einnehmen können – sind solch gleichbleibende Aspekte. Doch wer ein Kind werden kann, dies ist abhängig von der konkreten Gesellschaftsetappe, in die es hinein geboren wird.

Dabei wird Kindheit in den westeuropäischen Staaten unserer Zeit meist in düsteren Farben geschildert: der Fernsehkonsum, der Computer, die Verinselung, die Gettoisierung von Kindern, die Alleinerziehenden, die Scheidungswaisen, die Stiefelternfamilien usw. Vielleicht ist nichts so konstant, wie die pädagogische Klage darüber, dass die gesellschaftliche Entwicklung das Aufwachsen der Kinder zunehmend erschwere, verbunden mit der romantischen Verklärung der Vergangenheit, dass früher alles besser war. Ich möchte in dieses Lied von der bösen Gesellschaft nicht einstimmen und finde es ratsamer, konkret nach den Risiken, aber auch nach den Chancen unserer Zeit für Kinder zu fragen. Man hat keine Alternative, man lebt sich in die Zeit hinein, in der man geboren wurde, die Gesellschaft prägt die Gedanken, die der Kopf denkt, die Gefühle, die das Herz empfindet, und die Handlungen, für die der Körper geformt ist.

Auch diesen Themenkreis kann ich heute nicht konkret behandeln, sondern ich will Ihnen nur einen allgemeinen Gedanken vorführen. Je weiter die zivilisatorische Entwicklung der Gesellschaft voranschreitet, desto größer wird die Kluft zwischen den Erwachsenen und den Kindern, und desto schärfer wird der Konflikt zwischen diesen beiden Welten. Die genetische Basis, die Reflexausstattung bleiben zwischen einem Steinzeitneugeborenen und dem Baby, das in diesen Minuten in Schwäbisch Hall auf die Welt kommt, relativ gleich. Würden Sie den Steinzeitneugeborenen in eine Schwäbisch Haller Familie geben, er würde sich zu einem kompetenten Bürger der Europäischen Union entwickeln, und umgekehrt würde das Schwäbisch Haller Neugeborene zu einem Steinzeitmenschen, wenn Sie es beizeiten an einen derartigen Ort geben würden. Ist die Ausgangslage so identisch, so ist der Zielpunkt – das Leben in einer Steinzeitkultur einerseits und in der virtuellen Welt von morgen andererseits – doch sehr unterschiedlich. Diese Diskrepanz zwischen dem gleichen Ausgangs- und dem unterschiedlichen Zielpunkt – hat Konsequenzen für das Handeln der Erzieherin, die die Aufgabe hat, ein Stück des Weges zwischen beiden Polen zu gestalten.

Kinder sind Fremde in der Welt der Erwachsenen. Nur noch in Ausnahmefällen bietet unsere Gesellschaft den Kindern Chancen, gemäß ihren Möglichkeiten leben zu können. Zumeist sind Kinder Störenfriede, die ein reibungsloses Funktionieren belasten. Ich meine dies nicht moralisch disqualifizierend. Stellen Sie sich nur vor, hier im Raum befänden sich zwanzig kleine Kinder, die Sie hätten mitbringen müssen, weil sie sonst nicht versorgt wären. Ich könnte meinen Vortrag nicht halten, und Sie könnten nicht zuhören. Wenn es anders nicht ginge, hätten die Veranstalter eine Kinderbetreuung organisieren müssen, einen separaten Raum, in dem die Kinder unter Aufsicht spielen könnten, damit unsere Veranstaltung hier kindersicher bliebe.

Aber dies gilt nicht nur für die Arbeitswelt, auch in der Familie wird der kindertümliche Raum immer knapper. Für viele Schichten gilt, dass die Einkommensstruktur so gestaltet ist, dass beide Elternteile arbeiten müssen, um den Lebensstandard der Familie zu sichern. Und wenn dann der Feierabend und das Wochenende kommen, dann benötigt man seine Ruhe, die Kinder nur zu leicht stören. Es ist oft nicht böse Absicht, aber viele Eltern wissen mit ihren Kindern nichts rechtes anzufangen, selbst wenn sie freie Zeit haben. Ich kann mich noch an Situationen als Leiter eines Kindergartens erinnern, als Eltern mit ihren noch nicht einmal Zweijährigen zur Anmeldung kamen und völlig entnervt waren, weil sie es allein zu Hause mit dem kleinen Kind nicht aushielten.

Der Kindergarten ist ein Getto, eingerichtet, damit die Kinder die Erwachsenen nicht bei ihren Verrichtungen stören. Ich sage dies nicht in beleidigter Weise, sondern ziehe daraus eine notwendige pädagogische Schlußfolgerung: Richten wir dieses Getto so ein, damit wenigstens hier die kindlichen Handlungsweisen, ihre Gefühls- und Denkwelt zur Geltung kommen. Wieder kann ich nur andeuten, was ich hiermit meine: ihre Lust zum Spiel, ihr Sinn für Quatsch, die Unmittelbarkeit ihrer Fröhlichkeit und Traurigkeit, ihr großes Bewegungsbedürfnis, ihr Versuch, Spuren in der Welt zu hinterlassen, ihr Umgang mit Wasser, Matsch und Feuer.

3. Kind

Viel zu verstehen über Kinder und Kindheit in unserer Gesellschaft ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Kindergartenarbeit. Aber m.E. ist damit noch nicht der entscheidende Schritt getan, denn in der Erziehung haben wir es nicht mit Kindern im Plural zu tun, sondern mit dem konkreten, einzelnen Kind. Gestatten Sie es mir, dass ich dazu auch noch weniges ausführe. Ich erzähle Ihnen dazu einleitend eine Geschichte. Der Junge hat einen ganzen Korb voll mit Steinen geschenkt bekommen: gewöhnliche, unscheinbare, aber auch bunte und glänzend schimmernde. Er schüttet die Steine aus, legt sie in eine Reihe, packt sie auf einen Haufen, ordnet sie seinen Stofftieren zu, räumt sie alle wieder in den Korb. Manchmal schenkt der Junge seinen Eltern so einen Stein. Über den ersten freuen sie sich, doch dann werden es mit der Zeit zwei, drei, vier, fünf Steine. Die Freude nimmt mit jedem Geschenk ab - ein Stein ist eben ein Stein -, und unbeachtet bleiben sie auf dem Küchentisch liegen. Die Steine von Mutter und Vater vermischen sich auf einem Haufen, sie stören beim Aufräumen. Man wartet auf den richtigen Zeitpunkt, um sie in den Steinkorb des Jungen zurückzuwerfen. Ein Stein ist ein Stein, doch der Junge will die Steine nicht zurück in seinen Korb, und er kann auch noch wenige Tage später genau angeben, welcher für die Mutter und welcher für den Vater war. Der Junge hat - nach welchen Kriterien auch immer - gerade diesen als Geschenk ausgewählt, und er hat für den Schenkenden dadurch eine Individualität gewonnen. Für die Beschenkten ist dies nicht so einfach.

Eine Erzieherin, die dreißig Jahre im Beruf tätig ist und durchschnittlich zu jedem Kindergartenjahr zehn neue Kinder in ihre Gruppe bekommen hat, besitzt eine Erfahrung von 300 Kindern. Dies sind 300 unterschiedliche Geschichten, 300 unterschiedliche Zukunftsentwürfe und 300 unterschiedliche Ängste und Freuden. Hätte sie sich eine Datei mit den Fingerabdrücken angelegt, so hätte sie 300 verschiedene Muster. Ebenso 300 unterschiedliche Frisuren, Gesichtsformen, Körperhaltungen und 300 verschiedene Lachen und 300 verschiedene Tränen.

Für den oberflächlichen Betrachter sind Tränen gleich Tränen, so wie für die uninteressierten Eltern Steine gleich Steine sind, für unsere Erzieherin mit ihren 30 Berufsjahren aber sind die Tränen eines Kindes ebenso unverwechselbar wie für den Jungen die Steine, denen er seine Liebe geschenkt hat. Jedes Kind ist anders als die anderen, es hat seine unverwechselbare Individualität, und für die Erzieherin ist das einzelne Kind nicht der Anwendungsfall der allgemeinen Kategorie Kinder. Ein gewisser Schlendrian mag uns dazu verführen, Kinder einzuteilen wie die Steine: es gibt runde, die sich der Hand bequem anpassen, es gibt glänzend schimmernde, die die Aufmerksamkeit erregen, es gibt kantige, die besonderes Engagement herausfordern, und es gibt unscheinbare, die unbeachtet liegen bleiben. Solche Einteilungen - in Bezug auf den Charakter, die Intelligenz, das Sozialverhalten, die Kreativität - helfen nicht weiter. Sie sind viel zu grob, als dass sie etwas über das einzelne Kind aussagten. Pädagogisch erscheint mir eins vor allem geboten: sich radikal auf die Einmaligkeit dieses Kindes einzulassen. Dieses Kind ist, wie es ist, ich mag ihm einige Hilfestellungen geben, aber ich werde es nicht anders machen als es ist. Das einzige, was ich tun kann, ist, mich selbst offenzuhalten für die Individualität des Kindes, das konkret vor mir steht.

Im Mittelpunkt des erzieherischen Geschehens stehen nicht die Kinder, nicht die Fiktion einer Gruppe, sondern das konkrete einzelne Kind. Damit eine Erzieherin sich auf dessen Individualität einlassen kann, muss sie sich zunächst einmal von dem Wahn des Verstehens befreien. Kinder einer bestimmten Altersstufe lassen sich (psychologisch) verstehen, das einzelne Kind lässt sich nicht verstehen. Wir sollten Achtung vor seinen Geheimnissen haben.

Ein Stein lässt sich zersägen und kaputtschlagen, um festzustellen, ob er innen die gleiche Farbe wie außen hat. Doch er ist damit zerstört. Wir sollten viel über Kinder, ihre Entwicklungsgesetze und sozialen Bedingungen wissen, doch wir sollten nicht glauben, damit das konkrete Kind verstanden zu haben. „Mutter ... baue beizeiten einen Zaun um die Seele deines Kindes“[5], schreibt Jean-Jacques Rousseau, und dieser Zaun soll vor allem vor der falschen Neugierde von Erwachsenen schützen, die meinen alles verstehen und alles modellieren zu können. In der behutsamen Annäherung an die Möglichkeiten des einzelnen Kindes - darin scheint mir das Wichtigste des Erziehungsgeschäfts zu liegen. Gelingt dieser Prozeß, dann wird das Kind der Erzieherin ein klein wenig von seinen Entwicklungs-Chancen offenbaren, und die Erzieherin kann dann staunend wie vor einem Wunder stehen. Verstehen wird sie im günstigen Fall vor allem etwas von sich selbst.

III. Konkretisierungen: Indirekte und direkte Aufgaben der Erzieherin

Ich habe Ihnen ein wenig über meinen pädagogischen Hintergrund berichtet; die zweite Vortragshälfte möchte ich nun zur Diskussion mehr praktischer Fragen nutzen. Von Maria Montessori[6] lässt sich der didaktisch-methodische Grundsatz lernen, dass die Vorbereitung der Umgebung die zentrale Aufgabe der Erzieherarbeit ist. Wenn die Kinder morgens in die Einrichtung kommen und sie dann eine Umgebung vorfinden, in der sie konzentriert und selbständig an sie interessierenden Aufgaben arbeiten können, dann hat die Erzieherin schon einen gut Teil ihrer Arbeit hinter sich, und sie hat Zeit zum Rückzug gewonnen, um die einzelnen Kinder beobachten zu können. Auch wenn man nicht in allen Punkten der Montessoripädagogik zustimmt, so ist die Heraushebung der indirekten Erziehertätigkeit doch sinnvoll. In vielen Kindergärten scheinen Raum-, Material- und Zeitgestaltung als so selbstverständlich, dass sich darüber zu wenig Rechenschaft abgelegt wird. Für den nächsten Teil meines Vortrags teile ich deshalb die indirekten von den direkten Erziehertätigkeiten.

1.    Raum, Material, Zeit

Zu der ersten Gruppe zähle ich all das, was eine Erzieherin tut, damit jedes Kind ihrer Gruppe zu dem ihm eigenen Spiel findet. Die Erzieherin strukturiert den Raum, sie wählt Material aus, sie gliedert den Tagesablauf, sie stellt Einstiegshilfen zur Verfügung, sie hilft über Frustrationsphasen hinweg usw. Ich möchte dies nur kurz andeuten:

Der Raum sollte so konzipiert sein, dass er ruhige Aktivitäten und lärmende Bewegung ermöglicht, er sollte so gegliedert sein, dass er einer kleinen Kindergruppe ein gemeinsames Spiel erleichtert, aber gleichzeitig die Möglichkeit eines unbeobachtbaren Rückzugs eines Kindes erlaubt. Ich halte dabei wenig von der modernen Aufgliederung des Kindergartens in Funktionsräume: Im Bewegungsraum wird sich bewegt, im kreativen gemalt, gebastelt, gebaut, im Rollenspielraum mit Puppen gespielt usw. M.E. ist eine solche Aufgliederung von dem Erwachsenendenken aus konzipiert, der kindliche Aktivitäten in verschiedene Bereiche aufgliedert. Vom Kind aus gesehen gehen diese Tätigkeitsfelder ineinander über: Im Familienspiel gehen die Väter ihrer Aufgabe als Bauarbeiter nach, die Mütter malen ein Bild zur Verschönerung der Wohnung, die Babys plantschen mit Wasser usw. Wollen Sie einer wild schießenden Jungenbande, die gerade mit Holzklötzen ein Fort aufgebaut hat, in den Bewegungsraum verbannen?

Zum Stichwort Material heute nur zwei Hinweise: Reduzieren Sie die störende Überfülle aus dem Kindergarten. Ich kenne die Einrichtungen in Schwäbisch Hall nicht, aber ich möchte blind behaupten, dass 60 % der Spielkästen und sonstigen Materialien im Keller verstauen werden können, ohne den Spielwert einer Einrichtung zu verschlechtern. Im Gegenteil würden Sie, wenn Sie hier nach dem Motto „weniger ist mehr“ verfahren, für das Kind eine übersichtlichere Spielwelt schaffen, die ihm hilft, zu seinem Spiel zu finden. Und mein zweiter Hinweis: Bringen Sie reale Gegenstände in die Einrichtung. Ein Puppenkinderwagen kostet viel Geld, hält aber kein in ihm sitzendes Kind aus. Einen richtiger Kinderwagen bekommen Sie gebraucht für weniger Geld, und er hat einen ungleich höheren Spielwert. Und dann die echten Boxhandschuhe. Kein Kindergarten sollte auf sie verzichten, denn mit ihnen kann man lernen, „in echt“ zuzuschlagen, ohne zu verletzen. Im fairen Kampf zu bestehen, modelliert die Aggressivität, und dies scheint mir eine nicht unwichtige Aufgabe.

Was die zeitliche Strukturierung angeht, kann ich Ihnen nur raten: geben Sie dem Spiel der Kinder viel Zeit, dieses zu entwickeln, denn diese benötigen sie, um nach einer oberflächlichen, einsteigenden Mal- oder Puzzle-Aktivität zu intensiverem Spiel zu kommen. Nicht „Beschäftigung“, sondern „Spiel“ ist die Intention des Kindergartens. Neben einer kurzen Aufräum- und einer ebenso kurzen Stuhlkreisphase sollte der gesamte Vormittag in dem Freispiel bestehen, in das all das integriert wird, was im Kindergartengeschehen vorkommt. Zurecht werden vielleicht einige von Ihnen einwenden, dass eine solch ausgedehnte Freispielphase für einige Kinder eine Überforderung darstelle, da sie einen Zeitraum von drei bis vier Stunden nicht überblicken könnten. Nur gerade darin scheint mir die schwierige Aufgabe der Erzieherin zu bestehen: die unterschiedlichen Zeitbedürfnisse verschiedener Kinder wahrzunehmen, um individuell darauf reagieren zu können. Ein kleines, dreijähriges Kind, das neu in den Kindergarten kommt, mag lange an Ihrem Rockzipfel hängen, bevor es sich selbständig in die große Kindergartenwelt hinauswagt. Diesem Kind müssen Sie helfen, Sie müssen für dieses Kind eine Brücke sein, über die es sich trauen kann zu gehen, um zu dem eigenen Spiel und dem seiner Mitkinder zu gelangen. Nur, warum sollten deshalb alle 25 Kinder, für die Sie stundenweise verantwortlich sind, ihr Spiel unterbrechen, um auf Ihr Kommando hin zu essen oder nach draußen zu gehen?

Die Erzieherin wird indirekt aktiv, und sie ist dann erfolgreich, wenn sie sich in der Freispielphase auf ihre passive, beobachtende Rolle zurückziehen kann. Es ist nicht ihre Aufgabe, mit den Kinder zu spielen, denn je aktiver die Erzieherin ist, desto passiver werden die Kinder, es träte das Gegenteil von dem ein, was pädagogisch wünschenswert ist. Die Spielwelt der Kinder ist nicht unsere Erwachsenenwelt. Wir verstehen sie meist nicht richtig, und wir sind zu egozentrisch.

2. Einrichtungsbezug

Neben der Raum-, Material- und Zeitgestaltung möchte ich heute noch gerne einen Punkt zu den indirekten Erzieheraufgaben hinzufügen: Wählen Sie als Bezugsgröße der entsprechenden Planung nicht die einzelne Gruppe, sondern das Gesamt Ihrer Einrichtung. Aus verschiedenen Gründen bin ich gegen die heutzutage in einigen Einrichtungen beliebte Auflösung der Gruppenstruktur bzw. deren Reduzierung auf Stammgruppen – nicht zuletzt weil ich darin eine dauerhafte Überforderung vieler Erzieherinnen sehe. Trotzdem halte ich es für erforderlich, dass Sie – unabhängig davon, in welcher Funktion Sie in der Einrichtung arbeiten – Ihre Aufmerksamkeit auf den Kindergarten insgesamt richten sollten und nicht auf die Gruppe, in der Sie arbeiten.

Ich selbst habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, allen Kindern ein selbstverständliche Recht einzuräumen: Während der Freispielphase, die – wie berichtet – 90% des Kindergartenvormittages ausmacht, kann jedes Kind jederzeit selbst entscheiden, an welchem Ort im Kindergartengebäude oder auf dem Außengelände es spielen möchte. Sollen von dieser Regel Ausnahmen gemacht werden, so bedürfen sie einer für jedermann nachvollziehbaren Begründung. Diese Vereinbarung hat sich praktisch bewährt, weil die Aktionen der Vielzahl der Kinder deutlich entzerrt und so die Spielmöglichkeiten um ein vielfaches differenziert werden. Ich bin aber auch aus pädagogischen Überlegungen für diese Regelung: Kindergärten sind keine Gefängnisse, die Kinder in Räume zwingen, sondern ein Übungsfeld für Freiheit und Selbstbestimmung. Und noch eine letzte Bemerkung: Ich spreche von einem Recht des Kindes, nicht von der Gewährung einer Gnade. Alle Spielchen von Besuchsregelungen, alle Prozeduren von Ab- und Anmelden, von Fragen um Erlaubnis an die Erzieherin haben hier nichts zu suchen.

In einer Einrichtung, für die das gerade ausgeführte Gesetz gilt, kann auch die Erzieherin sich nicht auf ihre Gruppe zurückziehen, sondern sie nuss das Gesamt der Einrichtung im Blick haben. Stellen Sie sich vor, die Mehrzahl der Kinder verlagert ihren Spielort trotz schlechten Wetters nach draußen oder umgekehrt trotz strahlender Sonne nach Innen, dann müssen auch die Erzieherinnen hier flexibel reagieren. Es macht keinen Sinn, wenn die Kinder sich frei bewegen können und die Erzieherin an ihrem Stuhl kleben bleibt. Ich habe Kindergärten gesehen, die vorgaben, „offen“ zu arbeiten, und in denen sich die Erzieherinnen mit wenigen Kindern im Gruppenraum aufhielten, während die Mehrzahl der Kinder sich auf den Fluren, in der Eingangshalle, in den Waschräumen und draußen befanden. Wird dies so praktiziert, dann hat die Konzeption „offene Arbeit“ nur den Sinn, sich die Kinder vom Leib zu halten.

Wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit bezüglich der Gestaltung von Raum, Material und Zeit nicht bei der einzelnen Gruppe, sondern der gesamten Einrichtung beginnen, dann gewinnen Sie eine Reihe von Vorteilen, von denen ich Ihnen jetzt nur drei nennen möchte:

Zum ersten können Sie für die einzelnen Gruppenräume unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Zwar bin ich dafür, in jedem Gruppenraum ein konstantes Angebot für Spielmöglichkeiten bereitzuhalten, Gelegenheiten zum Bauen und Malen etwa, doch nicht jedes Spiel nuss in jedem Raum vorkommen.

Zum zweiten gewinnen Sie durch den Blick über den Gruppenraum hinaus Platz durch den Einbezug von Flächen, die bislang nur Verkehrswege waren oder zu seltenen Gelegenheiten benutzt wurden. Vielleicht können Sie dadurch einen Raum der Stille in Ihrer Einrichtung schaffen. Ich habe zu meiner aktiven Kindergartenzeit daran noch nicht gedacht, aber die Beschäftigung mit Maria Montessori hat mich gelehrt, dass neben Bewegung und Tätigkeit Stille ein Grundbedürfnis von Kindern ist, die die Vielfalt ihrer Erlebnisse und Eindrücke verarbeiten müssen. Nur um Mißverständnissen vorzubeugen: Gemeint ist nicht der traditionelle Ruheraum, sondern ein von der Meditation aus gedachter Raum der Stille.

Und drittens schließlich kann die erwähnte Regel die Gruppendynamik der Mitarbeiterinnen untereinander verbessern. In den Streitigkeiten sogenannter Teams scheint nach meinen Beobachtungen das Haupthindernis für eine Verbesserung der Kindergartenarbeit zu liegen. Vielleicht hilft es da ja, statt sich in skurrilen persönlichen Aversionen zu ergehen, sich um sachliche und begründbare Themen zu streiten. Vielleicht wird das Spieglein-Spiel der bösen Stiefmutter – „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die beste Erzieherin im ganzen Land“ – aufgebrochen, und man konzentriert sich darauf, gemeinsam besser zu werden.

3. Professionelle Liebe

Die soeben angedeuteten indirekten Tätigkeiten nehmen quantitativ den Hauptteil der Erzieherarbeit in Anspruch, und es sind solche, die sich relativ leicht erwerben lassen: Wie ein Innenarchitekt kann man lernen, unter pädagogischen Gesichtspunkten einen Raum zu gliedern, mit Überlegung lässt sich die Auswahl des geeigneten Materials bewerkstelligen, und mit ein wenig Erfahrung kann die Erzieherin ein Händchen dafür entwickeln, wann und wie sie einem Kind helfen kann, um zu seinem Spiel zu finden. Das, was ich Ihnen jetzt als den zweiten Aufgabenbereich der Erzieherin gegenüber den Kindern vorstellen möchte, ist viel schwieriger zu erlernen als das, worüber ich gerade gesprochen habe: Ich meine die direkte Beziehungsgestaltung der Erzieherin gegenüber jedem einzelnen Kind. Da die Tätigkeiten, die hier verlangt werden, tief in die Persönlichkeitsbildung jeder einzelnen Erzieherin hineinreichen, sind sie schwerer normierbar und komplizierter zu verändern.

Ich möchte das, was die Erzieherin in der direkten Beziehung zu jedem einzelnen Kind leisten muss, unter das Stichwort der „passiven Liebe“ stellen. Das klingt vielleicht widersprüchlich und pathetisch. Wir werden sehen. Ein Kind bedarf, um gesund groß werden zu können, eines intensiven Raumes, in dem es eigenaktiv tätig werden kann. Aber es bedarf noch mehr: Es bedarf der Sicherheit, dass sich das kleine Leben in der großen Welt lohnt, dass diese Sinn macht, dass es in der Lage sein wird, an ihr aktiv mitarbeiten zu können. Jedes menschliche Leben kann nur Bedeutung gewinnen, wenn es sich auf eine über es selbst hinaus reichende Welt bezogen weiß: der Kampf um soziale Gerechtigkeit, das sich Einsetzen für eine friedliche Welt, religiöse Gewißheit angesichts der Erfahrung des Todes und der Unendlichkeit gehören dazu. All dies erwirbt das kleine Kind nicht durch philosophische, verbale Auseinandersetzung, sondern durch die Unmittelbarkeit der Beziehung zu großen Menschen, die für das ganze Unverstandene stehen.

Ein Kind braucht Sicherheit, Vertrauen, Hoffnung, Heimat, und dies nicht durch große Worte abstrakt im Kopf, sondern indem es bei für ihn bedeutsamen Erwachsenen dies alles augenblicklich spürt. Nur wenn ein Kind diese selbstsichere Erfahrung von Heimat hat, dann kann es gesund sich entwickeln und sichere Schritte auf die weite Welt zumachen. Es wird sich von all dem, was ihm als Kind angeboten wurde, distanzieren, es wird zerstören müssen, um seine eigene Welt und seine religiösen, sittlichen und politischen Werte aufbauen zu können. Aber jetzt ist es noch klein, es bedarf der Sicherheit des Hafens, von dem es sich nur ein Stück weit entfernen kann.

Die Eltern sind die ersten Ansprechpartner, wenn es darum geht, dem Kind Heimat zu vermitteln. Das ist wahr. Aber mit diesem Verweis lässt sich die Forderung nach Liebe durch die Erzieherin im Kindergarten nicht zurückweisen und zwar aus zwei Gründen heraus nicht: Wir haben in unseren Kindergärten viele Kinder, denen in ihrem Elternhaus ein gutes Stück Heimat fehlt. Dies gilt für versagende, mißhandelnde Familien, aber manchmal auch für die, bei denen jenseits der Oberfläche materieller Versorgung und sogar Überfülle vieles fehlt, was einem Kind Geborgenheit, Verläßlichkeit und Bedeutsamkeit vermitteln würde. Und zweitens auch im Falle gelingender Familienerziehung: Das kleine Kind verlässt den sicheren Hafen seiner Familie, es wird ein Stück weit selbständiger, es nabelt sich von der Mutter ab, aber es ist immer noch abhängig von der persönlichen Beziehung zu einem lebendigen Erwachsenen.

„Liebe“ ist zu einem Wort geworden, das manchmal einen so pathetischen Klang angenommen hat, dass es nur noch für den deutsch sprachigen Schlager taugt. Oder es dient als Bemäntelung für Egoismus, Gewalt und Eindringung, die genau das Gegenteil davon sind, was mit „Liebe“ gemeint ist. Ich versuche also mich konkreter auszudrücken:

Erzieherische Liebe äußert sich in der Fähigkeit der Hand, ein Kind so anfassen zu können, dass es weder auf Grund der Heftigkeit des Druckes entfliehen möchte, noch so labberig, dass nur Ungewissheit vermittelt würde. Man muss ein Kind so anfassen, dass es Sicherheit und Geborgenheit spürt, von denen aus es selbst die schützende Hand loslassen will.

Erzieherische Liebe äußert sich in dem Blick, der ein Kind gefangen nimmt, weil hier Fröhlichkeit, Lebendigkeit und Ausgelassenheit durchscheinen. Es gibt Gesichter, in die sich gerne schauen lässt, weil sie Optimismus versprühen. Man muss ein Kind so anschauen, dass es in dem Bruchteil einer Sekunde spürt: diese Lebendigkeit der Erzieherin gehört mir.

Erzieherische Liebe äußert sich in der Fähigkeit, ein trauriges Kind in den Arm nehmen zu können, damit es wortlos seine Tränen in den Schoß vergießen kann, es so zu umhüllen, dass das Kind spürt, dass nichts als der Körper der Erzieherin es bemänteln, und für eine Zeitlang sie die Welt von ihm fernhält. Man muss ein Kind so lange in den Arm nehmen können, bis es sich ausgeweint hat, ohne dass man auch nur eins dieser überflüssigen Wörter sagt, die zur Täuschung rascher Tröstung führen, und man muss es so in den Arm nehmen können, dass es sich nachher nicht wird schämen müssen.

Erzieherische Liebe äußert sich in der Sprache, die lieber lange überlegt, welches Wort sie einem unruhigen Kind sagt, anstatt ihn mit einem Wortschwall zu überdecken. Und nicht nur das unruhige Kind, sondern auch das bedrückte, das zickige, das schweigende und das lärmende. Man muss die Stimme so modellieren, dass mit wenigen Worten Gewißheit und Verständnis, Beständigkeit und Freundlichkeit gleichzeitig ausgedrückt werden.

Ich sprach vorhin davon, dass die Fähigkeit zur „passiven Liebe“ das Entscheidende in der direkten Beziehungsgestaltung zwischen Ihnen und den Kindern sei. Zu dem Wörtchen „Liebe“ habe ich einiges gesagt, zu dem es begleitenden Adjektiv „passiv“ noch eine knappe Bemerkung. Eine Erzieherin soll ihren Körper und ihre Persönlichkeit in die Situation versetzen, damit sie jederzeit jedes Kind, für das sie stundenweise Verantwortung trägt, lieben kann. Aber die Erzieherin soll diese Liebe den Kindern nicht andienen. Es mag Kinder geben, die kein oder nur ein kleines Stückchen dieser Liebe benötigen. Dann soll man diese gewähren lassen. Es gibt andere, die sehnsüchtig oder auch durch aggressives Aufmerksamkeit Erregen sehr viel von ihrer Erzieherin verlangen. Dann muss sie ihnen dieses Viele geben. Maria Montessori sagt an einer Stelle, dass die Erzieherin wie das Material sein soll, das die Kinder zu ihrer Entwicklung benötigen. Sie nehmen es sich, wann und solange sie es gebrauchen. Es steht ihnen zur freien Verfügung. Dies gilt auch für die Liebe der Erzieherin. Sie steht einem Kind zur freien Verfügung, wann und solange es sie braucht.

IV. Schlußbemerkungen: Kindergartenpraxis und Ausbildung

Alle, die Sie zur Feier des 25jährigen Jubiläums der evangelischen Fachschule für Sozialpädagogik in Schwäbisch Hall gekommen sind, stehen in einer Verbindung zur Ausbildung junger Frauen und vielleicht auch einiger Männer zu Erzieherinnen: als Schülerin, Lehrerin oder Lehrer, als Anleiterin in der Praxis oder als ehemalige Absolventin dieser Schule. Sicherlich werden Kolleginnen anwesend sein, die im Gründungsjahr der evangelischen Fachschule den ersten Jahrgang besuchten; und vielleicht gibt es auch Lehrerinnen und Lehrer, die das ganze Vierteljahrhundert an der Schule tätig waren. Sie haben dann an der eigenen Haut erleben können, wie vielfältig nicht nur die Veränderungen in der sozialpädagogischen Praxis waren, sondern wie sich auch die Zielvorgaben und die Didaktik des Unterrichtens gewandelt haben.

Vielleicht hat es in der Vergangenheit auch bei Ihnen in Schwäbisch Hall wechselseitige Vorwürfe gegeben, und es gibt sie eventuell auch in der Gegenwart: Die Mitarbeiter in den Einrichtungen beklagen sich über die Rückständigkeit der Schule, die immer noch auf ein Kindergartenbild vorbereite, das längst der Vergangenheit angehöre; und die Schule kritisiert die Praxis, die nicht schnell und umfassend genug sich auf die neuen konzeptionellen Stichworte einstelle. Neben den gruppendynamischen Ursachen derartiger Vorwürfe, die störend und menschlich belastend sein können, aber wohl immer dazu gehören, wo Menschen miteinander in Beziehung treten, gibt es m.E. sachliche Notwendigkeiten für die Diskrepanz von Praxis und Ausbildung.

Die Praxis ist ständig angefüllt mit augenblicklichen Herausforderungen: dies gilt für die Praxis des Kindergartens ebenso wie für die Praxis des Unterrichts. Doch die Ansprechpartner sind andere: kleine Kinder auf der einen Seite, junge Erwachsene, die sich von der Jugendrolle verabschieden und in eine neue Lebensphase hinein wachsen, auf der anderen. Aus dieser Unterschiedlichkeit resultieren unterschiedliche Methodiken, aber ebenso verschiedene Zielsetzungen. Schülerinnen einer Fachschule sind nicht Objekte, die zielstrebig auf die nahtlose Übernahme der Berufsrolle vorbereitet werden, sondern die Pädagogik der Berufsausbildung muss mit der Subjektivität, Emotionalität, Widersprüchlichkeit ebenso rechnen, wie es die sozialpädagogische Arbeit für ihre Klientel als Bezugsgröße fordert. Die Loslösung vom Elternhaus, die Abkehr von der Schülerrolle, das Hineinfinden in die Vorstellung einer Berufstätigkeit, die eigene Standpunktentwicklung gegenüber der Vielfältigkeit der Konsumwelt, die Festigkeit des Beziehungsaufbaus bis hin zur Vorstellung zukünftiger Mutterschaft – dies alles sind notwendige und wichtige Entwicklungsschritte, die weit mehr als die Hälfte der Lebenszeit in diesem Alter in Anspruch nehmen.

Doch beschränken wir uns nur auf den kleineren Teil, die Vorbereitung auf den Beruf als Erzieherin. In meiner Kindergartenkonzeption formuliere ich an mehreren Stellen, dass die Persönlichkeit der Erzieherin ihr wichtigstes Handwerkszeug sei. Dies gibt der Ausbildung eine große Verantwortung, weil sie von den sachlichen Anforderungen her nicht nur auf die Vermittlung von Grundlagenkenntnissen in Pädagogik, Psychologie, Soziologie und Ethik sowie die Erarbeitung eines didaktisch-methodischen Handwerkskasten beschränkt ist, sondern die Persönlichkeitsbildung insgesamt in die Ausbildung einbezogen werden muss. Dies setzt eine breite und tiefe Reflexionsfähigkeit voraus, die nach der Bedeutung von Kindern für das erwachsene Leben fragt, also sowohl die eigene Kindheit wie die Vorstellung zukünftiger Elternschaft mit einschließt.

Mit dem eben Gesagten scheint die Meßlatte sehr hoch zu liegen, und vielleicht wünschen wir uns angehende Erzieherinnen, die reflektiert und abgeklärt wie 60jährige und gleichzeitig dynamisch und fern aller Resignation wie Jugendliche sind. Eine Schülerin, die gerade die Fachschule verlässt, steht aber erst am Anfangspunkt ihrer beruflichen Entwicklung. Sie weiß vieles noch nicht, hat vieles noch nicht erlebt, das Reservoir ihrer Erfahrungen im Positiven wie vor allem im Negativen ist begrenzter. Dies bringt die ältere Erzieherin in Vorteil. Aber es gibt auch die Stärken der jüngeren: ihre Beweglichkeit, ihr (hoffentlich) noch ungebrochener Optimismus, ihre Spontaneität. Die Ausbildung zur Erzieherin ist bezogen auf die Situation der Berufsanfängerin; vermittelt wird die Fahrkarte, mit der man eine lange Reise der Berufstätigkeit antreten kann, die noch viele Überraschungen und viele Lernanforderungen bereithält, auf die die Fachschule nicht vorbereiten kann, weil niemand sie vorauszusagen in der Lage ist.

Ich habe in meinem Kindergartenbuch von einer jungen Vorpraktikantin Barbara erzählt, die wild schreiend mit einer Horde Kinder über das Außengelände rannte. Leider hat es bei ihr keine zwei Wochen gedauert, bis sie gelernt hatte, dass „man“ so etwas als Betreuerin im Kindergarten nicht macht. Leider, denn für viele Kinder war Barbaras anfängliches Verhalten eine Bereicherung. Vierzigjährige, die so tun, als wären sie zwanzig und deshalb die wild rennende Barbara spielen, sind komisch, und der Kindergarten braucht deshalb die jüngeren Kolleginnen. Erfolgreiche Kindergartenarbeit hängt m.E. nicht unwesentlich von der richtigen Altersmischung der Kolleginnenschaft ab. In ihr haben diejenigen, die noch dabei sind, den Wechsel von der einen zur anderen Seite des pädagogischen Tisches zu vollziehen, ebenso ihren Platz, wie Kolleginnen, die im Alter eigener Familienplanung sind, und solche, für die Großelternschaft auf der Tagesordnung steht. Eine solche Altersheterogenität der Kolleginnenschaft mag manchmal zu komplizierten gruppendynamischen Konstellationen führen, aber sie wird dann zu einer Bereicherung des Kindergartenangebots, wenn die jeweiligen Stärken der einzelnen Mitarbeiterinnen in den Mittelpunkt gerückt werden.



[1] Sigurd Hebenstreit: Einführung in die Kindergartenpädagogik, Stuttgart (Klett Verlag) 1980

[2] Sigurd Hebenstreit: Kindzentrierte Kindergartenarbeit – Grundlagen und Perspektiven in Konzeption und Planung, Freiburg (Herder Verlag)19995

[3] Jürgen Zimmer u.a.: Kindergärten auf dem Prüfstand – Dem Situationsansatz auf der Spur, Seelze (Kallmeyer’sche Verlagsbuchhandlung) 1997, S. 120

[4] Kronberger Kreis für Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen: Qualität im Dialog entwickeln – Wie Kindertageseinrichtungen besser werden, Seelze (Kallmeryer’sche Verlagsbuchhandlung) 1998

[5] Jean-Jacques Rousseau: Emile oder Von der Erziehung, Zürich (Buchclub Ex Libris) 1989, S. 10

[6] Sigurd Hebenstreit: Maria Montessori – Eine Einführung in ihr Leben und Werk, Freiburg (Herder Verlag) 1999


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