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Arbeiten zur Kindergartenkonzeption
1999 - 3

  Home / Texte / I / 1999 / 3

Sigurd Hebenstreit

Anfrage der Zeitschrift Kindergarten heute :

Wie sehen Sie die derzeitigen Entwicklungen im Kindertagesstättenbereich und welche Bedeutung hat für Sie die professionelle Kinderbetreuung in der Zukunft? 

Es ist viel erreicht worden. Tagtäglich können in der Bundesrepublik Deutschland drei Millionen Kinder fröhlich in ihrem Kindergarten spielen. Sie finden hier eine Alltagswelt vor, die ihnen Geborgenheit gibt, die sie Freunde finden läßt und die für sie eine Fülle spannender und befriedigender Erlebnisse bereithält. Die Eltern der Kinder haben durch den Kindergarten in ihrem nahen Umfeld eine Anlaufstelle, die sie aus ihrer Isolation herausreißt und neue Bekanntschaften ermöglicht. Behinderte Kinder erhalten gleichermaßen eine normale Spielwelt und eine kompetente Förderung. Ausländische Kinder erlernen die deutsche Sprache und bekommen einen ersten Zugang zur Integration. Auffälligkeiten von Kindern, belastende Familiensituationen bis hin zur körperlichen Mißhandlung und sexuellen Ausbeutung können erkannt werden und nach möglichen Lösungsstrategien wird im Verbund mit anderen Einrichtungen gesucht. Insgesamt betrachtet herrscht weniger Drill, und es überwiegt kindliche Spontaneität und erzieherische Sensibilität. Die Fakten dieser Erfolgsbilanz ließen sich fortführen: Eine große Menge engagierter Erzieherinnen steht für sie ein.

Doch es gibt auch die dunkle Seite der Situation der Kindergärten in unserer Zeit. Bildungspolitisch sind sie in eine Sackgasse hineingeraten. Das von den Eltern zu entrichtende Entgelt ist ein Indiz hierfür. Niemand käme angesichts der beklagten Ebbe in den öffentlichen Haushalten auf die Idee, das Schulgeld wieder einzuführen; doch daß die Eltern drei- bis sechsjähriger Kinder zum Teil erhebliche Beiträge aufzubringen haben, erscheint normal. Ein weiteres Indiz: der Buch-, Zeitschriften- und Fortbildungsmarkt wird beherrscht von dem Schlagwort der Qualitätskontrolle . Mit hochgestochenen Vokabeln und aufwendiger Methodik wird die simple Tatsache verschleiert, daß mit weniger Geld ein mehr an Leistung erreicht werden soll. Und ein letztes Beispiel: Mögen Pädagogen auch Rosinen im Kopf haben, die konzeptionelle Landschaft wird beherrscht von dem Schlagwort der Betreuung . Es geht nicht um Bildung, um Förderung der geistigen, gefühlsmäßigen und sozialen Fertigkeiten der Kinder; und es geht nicht um ihren Erziehungsanspruch, sich ein Mehr an Selbstbewußtsein aufbauen zu können, sondern was gesellschaftlich zählt, ist die sichere Aufbewahrung von Kindern, damit sie das Erwachsenenspiel nicht stören.

Einerseits eine Erfolgsbilanz und andererseits Resignation  was ist die Konsequenz für die Zukunft? Ich glaube, was wir vor allem benötigen ist eine Offensive von Erzieherinnen, Trägern, Fachberaterinnen, Eltern für eine Politik im Interesse von Kindern. Die verantwortlichen Erwachsenen müssen deutlich hörbar artikulieren, wie sich die Interessen derjenigen durchsetzen lassen, die zu schwach sind, sich selbstorganisiert an dem Spiel zu beteiligen. Dies bedeutet vordringlich: Wir müssen den Bildungs- und Erziehungsanspruch jedes Kindes stärker in das öffentliche Bewußtsein bringen.


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